ESD MEDIENINFO | Neuer Koalitionsvertrag: Chance für Selbständige bleibt weitgehend ungenutzt

ESD MEDIENINFO | Neuer Koalitionsvertrag: Chance für Selbständige bleibt weitgehend ungenutzt

Berlin/Saarbrücken, 10.04.2025. Der Europaverband der Selbständigen – Deutschland (ESD) e.V. bewertet den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung mit gemischten Gefühlen. Zwar enthält das Papier einzelne Fortschritte, etwa im Bereich der digitalen Verwaltung, der Innovationsförderung und beim Bürokratieabbau. Doch die dringend notwendigen strukturellen Reformen zugunsten der rund drei Millionen kleinen Unternehmen, Soloselbständigen und freien Berufe bleiben erneut aus.

„Die Koalition redet viel vom Mittelstand, aber sie handelt zu wenig für Selbständige“, erklärt ESD-Präsident Timo Lehberger. „Gerade Einzelunternehmen und Personengesellschaften, die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden, werden wieder einmal nicht ernsthaft berücksichtigt.“
In einer umfassenden Analyse hat der ESD den Koalitionsvertrag mit dem eigenen Forderungskatalog für die Legislaturperiode 2025 bis 2029 abgeglichen. Das Ergebnis fällt ernüchternd aus: Nur drei der zwölf zentralen Forderungen des Verbandes wurden im Koalitionsvertrag vollständig erfüllt. Sechs Forderungen wurden bestenfalls teilweise berücksichtigt. Drei Punkte – darunter eine gesetzlich festgeschriebene Obergrenze bei den Sozialabgaben – wurden vollständig ignoriert.
Besonders enttäuschend ist die Tatsache, dass die versprochene steuerliche Entlastung in vielen Punkten vage bleibt. Die dringend geforderte Senkung der Einkommensteuerbelastung für Einzelunternehmen und Personengesellschaften findet sich allenfalls in Form von Prüfaufträgen wieder. Positiv hervorzuheben ist allerdings, dass Abschreibungsregelungen modernisiert und Investitionen erleichtert werden sollen – das kann, sofern es praxisnah umgesetzt wird, kleinen Betrieben spürbare Vorteile bringen. Gleichzeitig kritisiert der ESD, dass die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags erneut vertagt und die Körperschaftsteuer-Entlastung erst ab dem Jahr 2028 in Aussicht gestellt wird – viel zu spät angesichts der aktuellen Belastungssituation im Mittelstand.
Ein klares Bekenntnis zur Selbständigkeit, sei es gesellschaftlich, steuerlich oder rechtlich, fehlt dem Vertrag vollständig. Von einer Reform des Arbeitsrechts zugunsten kleiner Unternehmen ist ebenso wenig die Rede wie von einem modernen Bild des Unternehmertums in Deutschland.
Zusätzlich kritisch sieht der ESD die neue Ressortverteilung innerhalb der Bundesregierung. Die für Selbständige und kleine Unternehmen besonders relevanten Ministerien – Wirtschaft und Energie, Digitalisierung und Staatsmodernisierung, Arbeit und Soziales sowie Finanzen – sind auf mehrere Parteien verteilt. Das führt zu befürchteten Kompetenzüberschneidungen und einer erneuten Zersplitterung der Zuständigkeiten. Ein eigenständiges Mittelstandsministerium wurde nicht geschaffen, obwohl dies angesichts der vielschichtigen Herausforderungen gerade für kleinere Betriebe sinnvoll gewesen wäre. Zudem bleibt unklar, welches Ministerium künftig federführend für die Belange von Soloselbständigen und Freien Berufen verantwortlich sein soll.
Der Europaverband der Selbständigen fordert daher die Koalitionsfraktionen auf, im weiteren parlamentarischen Verfahren nachzubessern. Notwendig sind gerechte Sozialversicherungssysteme, die sich an der Lebensrealität von Selbständigen orientieren, spürbare steuerliche Entlastungen für Einzelunternehmen und Personengesellschaften sowie ein klares politisches und gesellschaftliches Bekenntnis zur Selbständigkeit.
„Selbständigkeit ist kein Hobby und kein Nebenbei-Projekt, sondern elementarer Bestandteil unserer wirtschaftlichen Zukunft“, so Lehberger weiter. „Wer diesen Millionen Menschen keine Perspektive gibt, verspielt nicht nur ihr Vertrauen, sondern auch die Innovationskraft, Stabilität und Beschäftigung, die unser Land so dringend braucht.“

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